Raiffeisenbank Schwaben Mitte eG | Mitgliederzeitung 01/20

Vorstandsvorsitzender Helmut Graf steht unserer Redaktion Rede und Antwort Warum trifft die Europäische-Zentralbank-Niedrig- zinspolitik die Regionalbanken besonders hart? Zunächst sind alle Banken betroffen. Insbesondere vom Investitionsumfeld, das die EZB-Niedrigzins- politik geschaffen hat. Das wirkt sich aber beson- ders auf das Geschäftsmodell der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus. Denn sie sammeln Einlagen in der Region ein und reichen diese als Kredite wieder aus. Und obwohl unsere Raiffeisenbank Schwaben Mitte eG in den vergangenen Jahren ihr Kreditgeschäft überdurchschnittlich stark ausge- weitet hat, haben wir einen erheblichen Einlagen- überschuss. Das Problem ist also, wie wir dieses Geld anlegen sollen. Weshalb ist das ein Problem? Die Geldpolitik und das Anleihekaufprogramm der EZB macht es für die Raiffeisenbank Schwaben Mit- te eG zunehmend schwerer, rentierliche Anlagen zu finden. Neben dem „Parken“ des Geldes bei der EZB, wofür ab einer bestimmten Höhe Strafzinsen anfallen, bleiben vor allem noch Staats- oder Unter- nehmensanleihen. Aber auch diese sind negativ oder gar nicht verzinst. Das engt die Möglichkeiten massiv ein. Das ist dann auch der Grund dafür, wa- rum einzelne Banken mittlerweile Verwahrentgelte für Neukunden ab dem ersten Euro erheben. Werden solche Verwahrentgelte zur Normalität? Ich kann nur für unsere Bank sprechen. Verwahrent- gelte zielen bei der Raiffeisenbank Schwaben Mit- te eG hauptsächlich auf Neukunden, die versuchen, Geld zu parken, für das sie auch anderswo entspre- chende Entgelte bezahlen müssen. Denn derzeit ist es für die Banken unattraktiv, frisches Geld einzusam- meln. Wer allerdings mit uns zudem andere Geschäf- te abwickeln will – sei es die Immobilienfinanzierung oder Wertpapiergeschäfte oder Versicherungen – ist auch weiterhin als Neukunde herzlich willkommen. Wir werden die Marktentwicklung weiter beobach- ten und darauf gegebenenfalls reagieren – das ge- bietet uns die kaufmännische Vorsicht. Werden künftig weitere Banken diesen Schritt gehen? Die Banken sitzen alle in einem Boot. Leitgedanke jedes Handelns muss die kaufmännische Vernunft sein, letztlich auch im Interesse unserer Kunden und Mitglieder. Was können Sparer denn machen, um solchen Gebühren zu entgehen, wenn es sie denn trifft? Es gibt trotz Niedrig- oder Negativzinsumfeld noch immer Geldanlagen, die vergleichsweise ansehnli- che Renditen bieten. Das können Wertpapiere sein, ebenso wie Fonds. Aber auch im Versicherungsge- schäft gibt es noch immer attraktive Alternativen zum klassischen Sparbuch oder Festgeldkonto. An- lageentscheidungen sind immer individuell. Da kann ich jedem nur raten, sich an seinen Bankberater zu wenden. Die Finanzkrise wurde ausgelöst, weil Banken zu hohe Risiken eingegangen sind. Droht uns ein solches Szenario jetzt wieder? Die Finanzbranche heute ist deutlich solider auf- gestellt als vor zehn Jahren. Und auch die Regu- latorik setzt Grenzen. Zwei Punkte sind mir hier wichtig: Deutschland hat funktionierende Einlagen- sicherungssysteme. Die Kunden der Raiffeisenbank Schwaben Mitte eG dürfen dabei auf ein in über 80 Jahren bewährtes Institutssicherungssystem ver- trauen. Die Kreditgenossenschaften sind ein Stabili- tätsanker der deutschen Finanzwirtschaft. Die neue EZB-Präsidentin Christine Lagarde will die lockere Geldpolitik ihres Vorgängers Mario Draghi fortsetzen. Haben Sie für diesen Kurs Ver- ständnis? Ganz klar ist, die EZB hat Banken wie Sparern die der- zeitige Misere eingebrockt. Lamentieren hilft nicht. Es stellt sich aber schon die Frage, ob das berühmte EZB-Inflationsziel von „nahe aber unter zwei Prozent“ richtig gesetzt ist und ob die Annahmen der EZB zur Teuerung die Realität widerspiegeln. Es wäre wün- schenswert, wenn die neue EZB-Spitze dazu käme, ihre eigene Politik kritisch zu hinterfragen. 4 Vorstand | Interview Teufelskreis: „EZB-Niedrigzinspolitik und Verwahrentgelte“

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